URSULA SCHRÖTER

URSULA SCHRÖTER
Frauenforscherin aus der DDR

Zum Abtreibungsverbot in der DDR

Vom September 1950 bis zum März 1972 waren Schwangerschaftsabbrüche in der DDR verboten, zunächst mit medizinischen und eugenischen Ausnahmemöglichkeiten, ab Ende 1965 auch mit psycho-sozialen. Die politisch Verantwortlichen knüpften nach Kriegsende demnach nicht an den Kampf der Arbeiterbewegung um das generelle Abtreibungsrecht an, wie er z. B. im Gesetzesentwurf der KPD-Fraktion des Deutschen Reichstages von 1928 zum Ausdruck kommt.

Im Rückblick auf die DDR gehe ich von vier Quellen aus, die 1972 schließlich dazu führten, dass der DDR-Frau das Recht übertragen wurde, „über die Unterbrechung einer Schwangerschaft in eigener Verantwortung zu entscheiden“ (§1). Erstens spielte ganz sicher der atheistische Charakter der DDR-Gesellschaft eine Rolle. Zwei Monate vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hatten die katholischen Bischöfe und Bischöflichen Kommissare in der DDR zwar Einspruch geltend gemacht, aber der verhinderte das Gesetz nicht. Zweitens wirkten die permanenten Forderungen („Eingaben“) der DDR-Frauen, auch weil sie mitunter von Schriftstellerinnen öffentlich gemacht wurden. So waren im Vorfeld des Ersten Frauenkongresses 1964 mehr als 13.000 Anträge an die zuständige Kommission gestellt worden, von denen viele eine „bewusste Mutterschaft“ betrafen. Drittens setzten Ärztinnen und Ärzte, die mit den Folgen von illegalen Abtreibungen konfrontiert wurden, – jährlich 60 bis 70 Todesfälle – dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung (Aresin 1993). Viertens und vor allem hatte die DDR-Regierung wenige Monate nach der spektakulären Sternaktion „Ich habe abgetrieben“ ein Interesse daran, sich in der Systemauseinandersetzung als modernere deutsche Regierung zu präsentieren.

Weder vor noch nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes über die Unterbrechung einer Schwangerschaft“ gab es umfangreiche öffentliche Debatten zu diesem Thema. Auch die öffentliche Berichterstattung über das Abtreibungsgeschehen hielt sich bis zum DDR-Ende in Grenzen. Dennoch gilt als erwiesen, dass sich die Anzahl der Abtreibungen pro Frau im gebärfähigen Alter bis 1990 in Ost und West kaum unterschied (Starke/Weller 1991, Ockel 2003). Damit wird die These bekräftigt, dass das Abtreibungsverbot das ungeborene Leben nicht schützt, „lediglich“ das mütterliche gefährdet.